Für den zielgenauen Transport von Botschaften sind Soziale Medien eine exzellente Wahl. Doch wenn es um die Vermittlung von Positionen geht, wenn Überzeugungsarbeit geleistet werden soll, dann kann dieser Ort schnell zum Bumerang werden.
Oft ist es Ziel von Kommunikation, Menschen bestimmte Inhalte näher zu bringen, vielleicht sogar von Positionen zu überzeugen. Dies ist insbesondere dann wichtig, wenn sich zum Beispiel ein Unternehmen in einer Krise befindet, Menschen für Veränderungsprozesse gewonnen werden sollen oder es um den Austausch unterschiedlicher Perspektiven geht.
Doch dieser Herausforderung kann man nicht mehr so begegnen, wie es vielleicht noch vor 5 Jahren möglich war. Warum? Kurz gesagt, unsere Gesellschaft tickt heute anders. Vieles wird heute ganz schnell zur Grundsatz- oder Glaubensfrage. Und soziale Medien haben daran einen entscheidenden Anteil.
Ich und mein Selfie-Stick
Durch unsere besondere Fähigkeit, in der Umwelt Muster und Regelmäßigkeiten zu erkennen, konnten wir in einer meist überschaubaren Welt recht gut überleben. Selektive Wahrnehmung half; egal ob im Überlebenskampf mit dem Säbelzahntiger oder dem Getreideanbau, gestützt durch Bauernweisheiten. Gleichzeitig gab es im unmittelbaren Umfeld, also der Familie oder der Gemeinschaft, Korrektive. Sie halfen, Dinge vielleicht von einer etwas anderen Perspektive aus zu sehen.
Heute treffen wir tagtäglich bis zu 20.000 Entscheidungen am Tag. In einer so komplexen Welt führt die Suche nach Mustern damit zwangsläufig zu enormen Falschverknüpfungen. Da bietet sich der Bereich der sozialen Medien als Ort der Heilsbringung an: Er wird zu einem zentralen Ort der Bestätigung. Die Sozialen Medien wandeln sich zu einem Fenster in eine fragmentierte Wirklichkeit, in der jeder Mensch für seine wie auch immer geartete Anschauung auf Zustimmung und Gleichgesinnte trifft.
Wie geht man nun mit sozialen Netzen um?
Früher halfen die herkömmlichen Medien dabei, andere Positionen zu vermitteln. Sie haben ihre Attraktivität längst verloren, wie die Grafik zeigt. Doch funktioniert dies auch bei Facebook & Co? Es fängt damit an, folgenden Sachverhalt zu akzeptieren: Soziale Medien sind nicht einfach ein zusätzlicher Kanal, den man bespielt, auf dem die Pressemitteilungen des Unternehmens veröffentlicht werden, der so mitläuft. Für Soziale Medien bedarf es einer eigenen Strategie, die sich mit der Gesamtstrategie des Unternehmens verknüpft.
Wenn zum Beispiel VW einige Tage nach Bekanntwerden des Abgasskandals noch Werbespots über ihre Fahrzeuge schaltet, dann ist dies ziemlich unklug. Denn die Gegner werden darin nur die Ignoranz von VW „bestätigt“ sehen. Dementsprechend fielen auch die Kommentare aus. VW wird in einer solchen tiefgehenden Krise mit vielen Unbekannten nur über eine prozessorientierte Kommunikation Erfolg haben. Die kann sie allerdings auch in Sozialen Medien umsetzen.
Brücken bauen
Erfolgreich wird das Engagement in den Sozialen Medien dann sein, wenn es gelingt, ein dialogorientiertes Korrektiv zu etablieren. Wir benötigen also Brückenbauer, die in sozialen Netzen und in der Realität helfen, die jeweils gegenseitigen Positionen zu verstehen. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass es für Vertreter anderer Positionen möglich ist, sich auf einen solchen Dialog einzulassen. Ist der Widerstand gegen eine Idee aber sinnstiftend oder tief im Bereich von Verschwörungstheorien verwurzelt, wird es erheblich schwieriger sein, einen Dialog zu eröffnen. Da hilft eine etwas passivere, beobachtendere Rolle weiter.
Trotzdem gibt es gute Beispiele, von denen man lernen kann. So der Dialog der Bundesregierung zum Thema Impfung, der sehr zwischen selektiver Wahrnehmung und Faktenorientiertheit pendelt. Er zeigt aber auch, wie wichtig gesichtswahrende Kommunikation bei diesen eindeutigen Themen ist. Ich kann nur empfehlen, sich diesen Dialog auszugsweise anzuschauen.
Es wäre also in kritischen Situationen ein Kardinalfehler, die eigene Realität oder Fakten gleich immer als allgemeingültige Wirklichkeit zu sehen. Denn heute ist es viel einfacher, mit Widersprüchen zu leben. Man kann zum Beispiel ohne Probleme mehr und billigere Wohnungen fordern, aber sich gleichzeitig gegen jedwede Form der Bebauung aussprechen. Die sozialen Netze helfen, die darin enthaltenden Widersprüche aufzulösen und Bestätigung zu finden.
Sehr treffende Beobachtung, die zu einer Frage für den Einzelnen weiterführt: Sollte man sich dem entziehen, was im Netz passiert, in dem man auf Aktivitäten vollständig verzichtet? Kein Xing, kein Facebook, kein Linked-In et al.? Ich denke, nein!
Wir sind durch Kreditkartennutzung und Handy schon gläsern bis hin zur Schrittzählung und Stockwerksregistrierung. Wer in Shopping-Centern das freie W-Lan nutzt, zahlt mit einer bis auf Regaltiefe verfolgten Einkaufstour, die mit den Sozialdaten der Funknetz- und Mobiltelefonbetreiber leicht um Alter und Einkommensklasse ergänzt werden können.
Also lautet mein Credo, dass es besser ist, zumindest den Eindruck zu haben, dass man selbstgesteuert die richtigen Spuren im Netz hinterläßt.
Dafür ist ein Netz-Kommunkationsguide mehr als hilfreich – vielleicht ein schönes Produkt, lieber Willi: Der Netz-Kommunikationsführerschein mit der Lizenz zur Kontrolle.
Ja, selektive Wahrnehmung hilft nicht mehr… Vielmehr ist es extrem gefährlich, ungewollte Informationen einfach auszublenden. Solche werden zunächst als Frage oder anständiger Hinweis über ein Produkt zu wenig ernst genommen. Dann verwandeln sie sich in ein Aergernis – zunächst für den Kunden – dann auch für Ihre Firma, die den Service oder das Produkt verkauft.
Das Aergernis verwandelt sich in eine schlechte Review und Ihre Reputation leidet.
80% aller Interessenten suchen das Weite, bevor sie sich auf Ihr Produkt einlassen, wenn sie auch nur eine schlechte unbeantwortete Review finden. Das sind 80% Ihres Umsatzes…