Vor 20 Jahren wagte ich – von Manhattan aus- einen Blick in die Zukunft. In einem „Brief aus New York“ schrieb ich einen Artikel für das Buch „Bildung: Eine Investition in die Zukunft“.

 

 

Der Deutsche Fachverlag, für dessen Büro ich damals in New York arbeitete, gab jährlich ein Brevier zu einem Thema heraus. Ich fand es spannend, diesen Brief nach 20 Jahren wieder zu lesen. In Erinnerung gerufen wurde der Beitrag nach einer Diskussion mit einer Mandantin. Wir unterhielten uns über Management-Ratschläge. Mir fielen Jack Welch’s 6 Top 10 Regeln ein. Er hatte nur 6 gute gefunden. Die sind für mich auch heute noch immer aktuell. Viel Spaß beim Blick in die Zukunft aus der Vergangenheit.

Ein Brief aus New York, Dezember 1999

Als das Internet noch wirklich Neuland war

Nicht nur der Begriff „Trend“ kommt aus Amerika. Auch grundlegende Tendenzen, um nicht zu sagen Trends der amerikanischen Wirtschaft werden in Deutschland gerne aufgenommen. Was kann man also in Deutschland in der Zukunft aus den USA warten?

So leicht lässt sich diese Frage natürlich nicht beantworten. Viele Stimmen meinen, dass die Internet-Revolution, die hier in den USA im vollen Gange ist, sich bereits auf Deutschland ausweitet. In der Tat herrscht in den USA fast eine Internet-mania. Kaum eine Straße in New York, kaum eine Fernsehsendung, ein Radio Programm oder Zeitung, ohne das obligatorische „www“. Man spricht von der neuen Generation@. Doch handelt es sich bei dem Internet nicht nur um einen Trend, sondern um eine Auswirkung, die dieses Land treibt: Ein Pioniergeist, der als Basis Erfolg oder besser gesagt den Traum vom Erfolg sieht. Sal Parasuco, Chef der Modemarke Parasuco mit Sitz in Kanada, hat kürzlich in einem Interview mit der Zeitschrift Sportswear auf die Frage, was seine Hauptbeschäftigung sei, geantwortet: „Träumen“. Amerika ist gewiss nicht das Land der Träumer. Doch erfolgreiche Unternehmer Amerikas sind alle angetrieben vom Traum nach Erfolg, ohne dabei ihre Bodenhaftung zu verlieren. Da sich dieser Traum nur mit einem Höchstmaß an Flexibilität erreichen lässt, gehört Wandel und persönliche weiter Entwicklung zum beruflichen Alltag. Jack Welch, CEO von General Electric und wohl einer der geachtetsten Unternehmensführer in den USA, nennt als eines seiner Erfolgsrezepte: „Change before you have to“. Dabei schließt er sich selbst mit ein. Diese Philosophie von permanente Veränderung und Weiterentwicklung ist wohl einer der größten Kulturunterschiede zwischen der deutschen und der amerikanischen Wirtschaft.

Change before you have to

Die Weiterentwicklung beginnt bereits in der Einstellung zur Ausbildung. In Deutschland lernt man meist einen einzigen Beruf und baut darauf sein künftiges berufliches Leben auf. In den USA hingegen ist es an der Tagesordnung, mehrere Berufe zu lernen und auch oft zur gleichen Zeit aus zu üben. In jedem US Unternehmen lernen durchschnittlich rund 28 Prozent der Mitarbeiter oft neben ihrer Tätigkeit einen neuen Beruf und finanzieren dies meist selbst. Diese Bereitschaft resultiert sicherlich aus der niedrigen staatlichen Absicherung. Es ist aber auch ganz selbstverständlich, seines eigenen Glückes Schmied zu sein. Für Jack Welch gehört daher auch zu seinen Erfolgsrezepten „Control your own destiny, or somebody else will“. Dahinter steckt natürlich die fest verankerte Philosophie: „Du kannst alles erreichen, wenn Du nur willst“. In der Tat sind Unternehmer in den USA und Kanada eher bereit, Mitarbeitern – so sie sich für ein neues Aufgabengebiet topfit gemacht haben – durchaus die Chance zum grenzenlosen Aufstieg zu geben. Auch, wenn der betreffende Mitarbeiter einstmals als Gabelstaplerfahrer seine Berufskarriere begann. In dieses Bild passt perfekt, dass eine Forderung nach einer Erbschaftssteuer von 100 Prozent in Deutschland einen Aufschrei der Empörung hervorrufen würde. In den USA wurde dieses Modell bereits ernsthaft diskutiert.

Kommt nur dieses Konzept von lebenslangem Lernen und Forderung nach hoher Flexibilität auch nach Deutschland? Vieles spricht dafür. Zwar erleben viele deutsche Mitarbeiter und sogar manche Manager solche Anforderung als etwas Bedrohliches. Doch können sich Unternehmen, die erfolgreich sein möchten, sich dem neuen Konzept nicht verschließen. In kleiner und enger werdenden Märkten können Unternehmen nun einmal nur wachsen, wenn sie und ihre Mitarbeiter wandlungsfähig sind. Also selbst wenn das soziale Sicherungsnetz Deutschlands finanzierbar bleiben würde: Unternehmen werden wandlungs- und entwicklungsfähige Mitarbeiter fördern, die sich permanent weiterbilden. Dazu werden diese Unternehmen ihre Strukturen sowie ihren Fokus verändern und genau diesen neuen Typus von Mitarbeiter eine Chance geben.

Der Traum vom Erfolg treibt manchmal aus europäischer Sicht seltsame Blüten. Am offensichtlichsten ist dies im Bereich der Konsumgüter. Bei der Suche nach der Erfüllung von immer neuen Kundenbedürfnissen ist mittlerweile eine unermessliche Auswahl an Produktvariationen entstanden. Bis es jedoch in Deutschland das Eis mit der Geschmacksrichtung „Fudge Covered Peanut Butter Filled Pretzels in Vanilla Malt Ice Cream rippled with Fudge & Peanut Butter“ (Erdnussbutter gefüllte Brezel mit Schokoladenüberzug in Vanille-Malz Eiscreme, die mit Schokoladencreme und Erdnussbutter durchzogen ist) zu kaufen gibt, wird noch einige Zeit vergehen.